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~*~* Kapitel 7 *~*~
Die ersten Wochen der Mission

Nachdem die Gruppe eine längere Steintreppe hinauf gegangen war, standen sie plötzlich im Burghof. Dort herrschte geschäftiges Treiben.
Hiranhên ging in Richtung der Stallungen, um nach ihrem Pferd zu sehen. Sie wäre fast über Xantcha's Hund gestolpert, der freudig bellend auf seine Besitzerin zugerannt kam. Katan wandte sich dem Gebäude zu, in dem ihr Falke untergebracht war.
Die Diebin Xantcha trat an Chiara heran und verlangte nach einer Erklärung, da man ihr bisher immer noch nicht gesagt hatte, wozu sie sich 'qualifiziert' hatte und was die weiteren Pläne waren.
"Was habt Ihr denn schönes erhalten?" fragte Bohumil den Krieger Ragnar, der seine Axt betrachtete, die inzwischen blau schimmerte. Stolz wurde dem Magier die faszinierende Axt unter die Nase gehalten.
Nachdem Xantcha inzwischen wusste, was auf sie zukam, ging sie auch zu den Stallungen, da sie gesehen hatte, dass die Elfe dorthin verschwunden war. Sie traf sie auch an, wie sie neben einem hübschen Fuchshengst stand und ihm den Hals kraulte.
"Sag mal, wir haben uns doch schonmal gesehen."
Hiranhên lächelte sie freundlich an. "Ja, vor einer Woche in ... dieser Stadt."
"Kanapla - meine Heimatstadt."
"Und ... wie seid Ihr hierher gekommen?" Obwohl das andere Mädchen sie mit 'du' anredete, bevorzugte Hiranhên immer noch die höflichere Form.
In diesem Augenblick kam die Waldläuferin mit ihrem Falken auf dem Arm vorbei. "Hallo ihr!"
"Oh, hallo."
Xantcha sah Katan nur etwas misstrauisch, aber trotzdem eher neugierig an.
"Ka-kann mein Fa-falke mit in d-den St-stall hin-nein? Der ist auch g-ganz b-br-brav."
"Kein Problem. Die beiden kennen sich ja schon..." Hiranhên tätschelte Narumîrs Hals.
Die drei unterhielten sich eine Weile und jeder erzählte ein wenig über sich.
So erfuhr nun auch Xantcha nach einigem Nachfragen, dass Hiranhên auf einer weit abgelegenen Burg namens Lhûgidh aufgewachsen war und dort fast nie jemand anderen als ihren Vater zu Gesicht bekommen hatte. Sie selber erzählte nicht viel über sich, nur soviel, dass sie auf der Straße lebte, keine Eltern mehr hatte, aber ganz gut zurechtkam.

Orgim versuchte derweilen, die beiden Fackeln, die er mitgenommen hatte, und seinen alten Zauberstab loszuwerden. Er betrat das Zelt eines Händlers und baute sich vor dem Tresen auf. Der Händler sah ihn schon etwas unsicher an und zuckte leicht zusammen, als der Magier plötzlich zwei Fackeln und einen Zauberstab auf den Tresen legte, während er dem armen Mann tief in die Augen sah.
"200 Kupferstücke!" sagte er nur.
Der Händler hatte sich wieder gefangen, als er bemerkt hatte, dass der Mann nur etwas verkaufen wollte. Er betrachtete kritisch die Gegenstände. "Soviel kann ich ihnen dafür nicht geben..." begann er, doch kurz darauf war er zu einer Steinstatue erstarrt. Plötzlich kam eine Frau aus dem hinteren Teil des Zeltes. Als sie ihren steinernen Gatten sah, stieß sie einen Schrei aus. Geistesgegenwärtig erschuf Orgim eine Illusion von dem Mann, packte wieder seine Sachen und verließ das Zelt. Auf dem Weg nach draußen kamen ihm zwei durch den Schrei alarmierte Soldaten der Stadtwache entgegen.
"Halt! - Was ist vorgefallen?" fragte einer von ihnen.
"Nichts weiter... Nur eine Maus..."
Die Soldaten grinsten sich an und verschwanden gemächlich wieder, während Orgim auf ein Gebüsch zuging und die Fackeln mitsamt dem Zauberstab wegwarf.
Die Frau hingegen hatte inzwischen versucht, ihren Mann zu umarmen und die Illusion hatte sich aufgelöst. Nun stand sie etwas verwirrt im Zelt herum und betrachtete verständnislos ihren versteinerten Gatten und den Platz, an dem bis vor kurzem noch seine Illusion gestanden war.

Ragnar hatte inzwischen Hiranhên aufgesucht und sie gebeten, für ihn seine alte Axt zu verkaufen. Als die Elfe zögerte, bot sich Xantcha, die zugehört hatte, an, diese Aufgabe zu übernehmen.
"Gut, von mir aus. - Aber dann teil' mit Hiranhên."
Xantcha handelte nach Ragnars Wunsch und erhielt nach einigem Handeln hundert Kupferstücke für die Axt, wovon sie die Hälfte an die Elfe gab, wie Ragnar es gewünscht hatte. Nachdem sie ihr Geld verstaut hatte, setzte sie sich zusammen mit der Waldläuferin Katan in eine ruhige Ecke und die beiden gingen ihre Ausrüstung durch, um zu kontrollieren, ob sie sich noch etwas zulegen müssten für ihre Mission.
Hiranhên hingegen ging zum Stallmeister des Herzogs und fragte ihn, welche Pferde man ihnen geben würde. Der Mann führte sie zu einem Balken, an dem vier Pferde angebunden waren und darauf warteten, dass man sie sattelte.
"Nur vier? Ich dachte, jeder bekommt eines."
"So ist es auch. Der Zauberer sowie ihr habt bereits eigene Pferde und Lady Frostbrands Ross steht in einem anderen Stall."
"Achso."
Nachdem der Mann gegangen war, begutachtete sie die Tiere genauer. Es war eine bunte Mischung, da man anscheinend versucht hatte, für jeden das richtige zu finden:
Das große Schlachtroß war sicherlich für Ragnar gedacht, da er mit seiner Rüstung für jedes normale Pferd eine zu große Belastung auf einem solch langen Ritt dargestellt hätte.
Gleich neben dem Braunen stand ein pechschwarzes, ebenfalls kräftiges Pferd, das allerdings kleiner war. Sein Schweif und seine lange Mähne waren gewellt und um seine Fesseln hing ebenfalls leicht gewelltes schwarzes Haar. Hiranhên vermutete richtig, dass dieses Pferd für Orgim bestimmt war.
Für die beiden Mädchen hatte man etwas kleinere, aber sehr kräftige und wendige Ponies ausgewählt, wovon eines ein Falbe mit weiß-schwarzem Schweif und ebenso gefärbter Stehmähne war und das andere ein Schwarzbrauner mit einem hübschen Kopf.
Die Elfe war sich nach dieser Begutachtung sicher, dass man ihnen nicht unbedingt die schlechtesten Rosse zur Verfügung gestellt hatte. Zufrieden ging sie zurück zum Stall. Dort begegneten ihr zwei Stallburschen, die ihr rieten, ihr Pferd zu satteln und sich für den Aufbruch bereit zu machen. (Es scheint zwar unhöflich von ihnen zu sein, diese Aufgabe nicht selber zu machen, doch Hiranhên hatte ausdrücklich gewünscht, dass sie sich selber um ihr Pferd kümmern wolle. - Schon allein deswegen, weil Narumîr Fremden gegenüber grundsätzlich erst einmal misstrauisch war.) Die Elfe dankte ihnen für den Hinweis und holte sogleich ihre Tasche sowie Sattel und Trense aus einem Zimmer, das man ihr inzwischen für ihren Aufenthalt in der Burg zugedacht hatte.
Am Nachmittag waren alle Vorbereitungen abgeschlossen und die Gruppe ritt vom Hof des Herzogs und begab sich auf die gefahrenvolle Mission...
Sie ritten zunächst zurück zu der Stadt Kanapla und verbrachten dort die Nacht. Dann folgten sie der Straße nach Metriciens, der großen Stadt. Das Landschaftsbild, das sich ihnen dort bot, waren allerdings keine grünen Hügel mehr, wie es um Kanapla herum der Fall war, sondern karges Steppenland.
Am dritten Tage begegneten sie einigen Soldaten des Herzogs, die ihrerseits aus Metriciens kamen und sich auf dem Weg nach Kanapla befanden. Außerdem kamen ihnen des öfteren Händler entgegen, die ebenfalls von einigen Soldaten begleitet wurden, da sie Räuber und Wegelagerer fürchteten. Doch von solchen Halunken blieb die Gruppe glücklicherweise verschont.
Allerdings gab es trotzdem für fast jeden etwas zu klagen, denn da die meisten noch nie vorher auf dem Rücken eines Pferdes gesessen hatten, beschwerte sich natürlich ihr Sitzfleisch über die plötzliche extreme Anstrengung. Doch auch das ging nach einigen Tagen vorbei und sie kamen schneller voran, da sie nicht so viele Pausen machen mussten. Auch kamen Orgim, Ragnar, Katan und Xantcha allmählich auch besser mit ihren Pferden zurecht, ebenso wie Bohumil, der zwar ein eigenes hatte, jedoch anscheinend noch nie Zeit darauf verwandt hatte, reiten zu lernen. Ob Chiara Fortschritte machte, konnte man nicht wirklich erkennen, da sie sich schon von Anfang an relativ sicher bewegte und das Pferd sie ohnehin kannte. Für Hiranhên war die Reise an sich nichts weiter als ein sehr langer Ausritt.
Nach etwas mehr als zwei Wochen erreichten sie die beeindruckende Stadt Metriciens, ließen sich allerdings nicht dort nieder, sondern folgten der Straße nach Süden, welche durch immer kärgeres und steinigeres Gebiet führte, das zu ihrer Linken viele Hügel bot, zu ihrer Rechten allerdings nur Ebene, so weit das Auge reichte. Nach etwa drei Tagen verließen sie die Straße, da sie die Hügellandschaft umschließend eine Biegung Richtung Südosten machte, sie selber aber direkt nach Süden weiter reiten wollten.
Zwei Tage nachdem sie die Straße verlassen hatten und durch die flache Steppe geritten waren, kamen sie an einen Wald. Da es bereits dämmerte, schlugen sie dort ihr Nachtlager auf, um erst am nächsten Tag die Reise fortzusetzen.
Nach einer halben Tagesreise hatten sie den Wald auch schon durchquert und sahen sich plötzlich einem Lager gegenüber, in dem Menschen eifrig umher liefen. Die Zelte sahen nicht sehr wertvoll aus und die Menschen waren auch eher ärmlich gekleidet, woraus die Gruppe schloss, dass es sich um eine Art Flüchtlingslager handeln musste.
Nach einem kurzen Halt, um alles aus den Schatten der Bäume heraus zu beobachten, war Orgim der erste, der seinen Rappen antrieb und auf das Lager zuritt. Nach einem kurzen Blickwechsel folgten Hiranhên und Ragnar ihm und holten ihn gerade ein, als er am Rand des Lagers angelangt war. Auch Katan und Xantcha waren hinterher getrabt, da sie ebenfalls neugierig waren, um was es sich hier handelte und außerdem sahen, dass die Menschen sie garantiert nicht angreifen würden. Chiara und Bohumil ließen ihre Pferde in gemächlichem Schritt hinterher trotten, da sie es nicht eilig hatten.
Sofort, als der schwarze Magier, die Elfe und der Krieger das Lager erreichten, kam aus dem am teuersten aussehenden Zelt ein Mann auf sie zu gerannt. "Wollt Ihr etwas kaufen?" fragte er eifrig. Offenbar handelte es sich um den einzigen Händler hier.
Hiranhên saß ab. "Sagt mir, edler Händler, was hat es mit diesem Lager hier auf sich?"
"Dies ist ein Flüchtlingslager."
Auch die anderen waren inzwischen abgesessen und standen etwas o-beinig neben ihren Tieren.
"Ein Flüchtlingslager? Für wen?"
"Für die armen Vertriebenen."
"V-von wo?" schaltete Katan sich ein, die inzwischen neben der Elfe stand.
"Die Leute hier kommen aus dem Osten."
"Weiß man, was diese Menschen vertrieben hat?" forschte Hiranhên weiter.
"Es waren dunkle Gestalten."
Die Elfe wurde hellhörig, als er die 'dunklen Gestalten' erwähnte. 'Die Reiter?' fuhr es ihr durch den Kopf, doch sie konnte nicht fragen, ob diese Wesen beritten waren, da Xantcha sofort eine weitere Frage stellte: "Kann man durch sie hindurch laufen?" Anscheinend dachte sie noch an die Illusion im Keller des Herzogs.
Der Händler sah sie leicht verwirrt an. "Nein, die Flüchtlinge sind sehr ... substantiell..."
"Das versteh' ich nich'." grummelte Ragnar, der ebenfalls der Unterhaltung gefolgt war.
Hiranhên wandte sich ihm zu. "Sie sind körperlich, fest, ... anfassbar."
"Du kannst nicht durch sie hindurch laufen", half ihr Xantcha.
Während der ganzen Unterhaltung hatte Bohumil in den Gedanken eines zufällig herumstehenden Mannes gelesen, der dem Gespräch zugehört hatte. Er hatte dabei herausgefunden, dass der Mann die Gruppe offenbar für eine Spezialeinheit hielt, bei der man etwas vorsichtig sein musste. Den Händler, bei dem er gerade etwas kaufen wollte, schien im Lager hoch angesehen zu sein. Der Mann selber war viele Tage gelaufen, bis er im Camp angekommen war. Als er Hiranhên erblickte, war er mehr als nur erstaunt, denn er hatte zwar von Elfen gehört, sie aber nur für Sagengestalten gehalten. Nun war er dementsprechend überrascht, selber einer gegenüber zu stehen. Bohumil hatte es nun geschafft, tiefer in die Gedanken vordringen zu können und suchte nun nach Informationen, wo die Menschen herkamen. Vor einem Monat war er von Zuhause aufgebrochen zusammen mit zwei Nachbarn und nach zehn Tagesmärschen hatte er schließlich das Camp hier erreicht. Der Händler war offenbar schon länger da. Dann schien der Mann plötzlich das Interesse an den Neuankömmlingen zu verlieren, denn er machte sich auf den Heimweg und dachte dabei grimmig daran, dass es wieder nur Gemüse und Brot zum Abendessen geben würde und dass der Händler das Fleisch wahrscheinlich für sich selber hortete.
Bohumil zog sich wieder zurück. In diesem Moment hatte auch der Händler sein Gespräch mit den anderen beendet und ging wieder zu seinem Zelt. Orgim, der gespürt hatte, dass Bohumil irgendeinen Zauber gesprochen hatte, sah ihn fragend an. Auch Hiranhên hatte etwas gespürt und hörte ebenfalls zu, als Bohumil berichtete, was er erfahren hatte.
Währenddessen spazierte Xantcha durch das Lager und sah sich um, während Katan dasselbe mit dem Gelände außenrum tat.
Die Elfe ging zu Chiara hinüber, die an ihrer Satteltasche herumhantierte. "Sagt, Chiara, wollen wir hier länger Rast machen oder sofort weiter?"
"Wir sind schon im Einsatzgebiet", sagte sie schlicht.
"Essen wir doch erst einmal Mittag!" schlug Xantcha, die den großen Topf mit der Gemüsesuppe erblickt hatte, der über einem kleinen Feuer vor sich hin köchelte.
"Ich stimme zu, wir sollten uns stärken." Chiara hatte nichts dagegen und auch Ragnar, der eigentlich der Anführer der Gruppe war, da er es auch gewesen war, der vom Herzog den Auftrag erhalten hatte, war einem Essen gegenüber nicht abgeneigt.
Die freundlichen Menschen gaben ihnen gerne etwas ab, obwohl sie selber wenig hatten, doch Gastfreundschaft wurde bei ihnen immer noch groß geschrieben.

Nach dieser Stärkung setzte Xantcha ihren Rundgang im Lager fort und zählte ungefähr fünfzig Menschen, die dort 'wohnten'.
Ragnar versuchte nun auch, etwas herauszufinden, doch da er zuerst nur an zwei kleine Jungen geriet, vernahm er hier nicht viel.
Die anderen hatten mehr Glück, denn so erfuhren sie, dass die meisten Leute aus dem Südosten oder dem Osten des Landes kamen, wo es nur wenige kleine Dörfer gab, da das kleine Gebirge in der Nähe sehr unwirtlich war. Doch sie hatten ihre Häuser verlassen und waren geflohen, als aus einem weiter entfernt gelegenen Dorf Schreckensmeldungen gekommen waren, das schwarze gestalten das Dorf überfallen und fast jedes Leben ausgelöscht hatten. Sie selber hatten diese nicht zu Gesicht bekommen, da sie umgehend abgehauen waren, somit konnten sie nichts genaueres berichten über diese Wesen.
Die Gruppe beschloss, die nächste Nacht im nahegelegenen Wald zu verbringen, da Hiranhên und Katan nicht im Lager übernachten wollten, sie aber eine kleine "Verschnaufpause" dringend notwendig hatten.

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© by Opium-Angel - 2002