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~*~* Kapitel 14 *~*~
Das Schwarze Heer

Nach Durchreiten des Tores führte sie der Weg am Gebirge entlang, das sich linker Hand majestätisch erhob, während auf der rechten Seite nichts als Ebene war. Um einen Orientierungspunkt zu haben, hielten sie sich weiterhin an die Felsen.
Plötzlich sahen sie in weiter Entfernung links von sich einen schwarzen Fleck, der ein kleines Heer zu sein schien. Hiranhên zügelte ihren Hengst und gebot den anderen, ebenfalls zu halten, als plötzlich aus den Bergen ein weiteres Heer gestürmt kam. Hiranhên sah Schwerter und Äxte aufblitzen und ihr wurde klar, dass dies offenbar ein Angriff war. Da sie nicht wusste, um wen es sich bei den beiden Scharen handelte, wollte sie nicht eingreifen und sich auf eine Seite stellen.
"Ich will sehen, was da los is!" quengelte Ragnar, wollte aber anscheinend nicht alleine gegen den Willen der anderen hinreiten.
"Ja, ich auch!" stimmte ihm da Xantcha zu.
"Die Elfe sah zu Orgim und Katan. "In Ordnung", meinte sie schließlich und trieb ihr Pferd wieder an. "Aber seid vorsichtig..."
Während sie langsam näher ritten, stürmte die Armee aus den bergen, bei der es sich offenbar um Zwerge handelte, wie ein Keil in das leicht überrumpelte Heer der Schwarzen, bei denen nicht ganz erkennbar war, was sie waren. Doch diese schienen die Keiltaktik der Zwerge zu nutzen, um sie zu umkreisen und plötzlich fanden sich die Angreifer in der Falle. Ein erbitterter Kampf brach aus, bei dem anscheinend auch viel Magie im Einsatz war.
Als sie näher herangeritten waren, blieb Hiranhên wieder stehen, um einen Sicherheitsabstand einzuhalten. Von dort konnten sie sehen, dass einige bereits gefallen waren, allerdings mehr auf den Seiten der Schwarzen.
Doch nach und nach wurden auch die Zwerge immer weniger und als schließlich nur noch eine geringe Anzahl übrig war, geschah das Unglaublichste: Sie kämpften nicht weiter, sondern knieten nieder und schienen zu beten. Plötzlich ging von allen überlebenden Zwergen ein greller Lichtblitz aus, der für die meisten umstehenden Gegner tödlich war. Als die Gefährten wieder hinsehen konnten, war von den Zwergen nichts mehr übrig als ein paar verkohlte Leichen. Offenbar hatten sie mit diesem letzten Schlag sich selbst geopfert, um noch so viele wie möglich mit sich zu reißen.
Als das übrig gebliebene schwarze Heer sich vom Schlachtfeld entfernte, trieb Xantcha plötzlich ihr Pferd und ritt auf das Schlachtfeld zu. Auch die anderen folgten ihr langsam.
Es bot sich ihnen ein Bild des Grauens, als sie den Kampfplatz nach etwa eineinhalb Stunden erreichten. Trauer war auf Hiranhêns Gesicht zu erkennen. Sie schauderte beim Anblick von so viel Leid und Tod. Auch Narumîr schien sich nicht wohl zu fühlen, als seine Herrin ihn zwischen den Toten hindurch manövrierte, denn er schnaubte mehrmals unruhig und schlug mehrmals mit dem Kopf, doch nach einigen beruhigenden Worten hörte er damit auf.
Die Elfe hielt angestrengt Ausschau nach Überlebenden, denen noch zu helfen war. Plötzlich blinkte rechts neben ihr etwas auf und sie fuhr herum, doch es war nur ein Ring am Finger einer verkohlten Leiche. Angewidert wandte sie sich wieder ab und ritt weiter, als sie auf der anderen Seite ein Stöhnen vernahm. Sie hielt ihr Pferd an und drehte sich in diese Richtung. Jemand in einer schwarzen Kutte, wie auch Orgim sie trug, stützte sich auf einen ebenfalls schwarzen Stab. Irgendwie kam ihr die Gestalt bekannt vor, was allerdings nicht nur daran lag, dass sie dem dunklen Magier in ihrer Gruppe ähnelte.
"Seid gegrüßt!" rief Hiranhên. Statt einer Antwort standen plötzlich vor der Gestalt einige Skelette auf.
"Wir wollen Euch nicht angreifen..." Als sich immer noch keine Reaktion abzeichnete, wurde sie unruhig. "Orgim!" rief sie deshalb ohne sich umzudrehen. Auch als sie ihn neben sich wusste, sah sie ihn noch immer nicht an. "Kennt ihr den?"
"Nein."
Ihr Hengst wurde nervös und tänzelte aufgeregt herum, während er versuchte, vor der Gestalt in der schwarzen Kutte zurück zu weichen. Er begann zu schwitzen und verdrehte seine Augen so sehr, dass das weiße in ihnen zum Vorschein kam. Die Elfe hatte alle Hände voll mit ihrem Ross zu tun und musste so wohl oder übel die Augen von der seltsamen Gestalt abwenden. "Ma echo, Narumîr..."* sagte sie sanft und strich ihm beruhigend über den Hals, als Ragnar an ihr vorbei rannte und Xantcha in einiger Entfernung stehen blieb.
Plötzlich fiel es Hiranhên wieder ein, woher ihr die Gestalt bekannt vorkam: Die schwarzen Reiter! Eine heiße Wut stieg in ihr auf und sie griff nach ihrem Schwert.
Als sie wieder aufsah, konnte sie gerade noch sehen, wie Ragnar einen Schlag mit seiner Axt zu Ende führte und damit ein Skelett durch die Luft flog. Glücklicherweise erwischt es genau das Skelett, das etwas weiter hinten gestanden war und gerade einen Pfeil in seinen Bogen hatte legen wollen.
Die Elfe ließ ihr Pferd fast aus dem Stand angaloppieren und scherte sich nicht um das Skelett, das zwischen ihr und der Schwarzkutte stand. Mit einem wütenden Funkeln in den Augen schwang sie ihr Schwert. Sie traf die Gestalt knapp unterhalb des Halses und fügte ihr eine tiefe Wunde zu. Er war zu überrascht gewesen, um parieren zu können.
Als sie ihren Hengst schließlich gewendet hatte, lag die schwarze Gestalt auf dem Boden und auch die Toten, die er erweckt hatte, waren wieder zusammen gesunken. Xantcha stand mit ihrer dreischwänzigen Peitsche in der Hand da. Vor ihr lag ihre andere Peitsche und auf ihrem Gesicht machte sich leichte Enttäuschung breit.
"Hinterher!" war aus Orgims Kutte zu vernehmen, während er sich bückte und nach dem Stab griff, der neben einer nun leblosen Gestalt lag.
"Ist jemand verletzt?" fragte Hiranhên.
"Nein."
"Dann reiten wir weiter!" Auf einmal klang ihre Stimme nicht mehr wie die der schüchternen Elfe, sondern fast wie die einer Kriegerin. Sie wischte mit einem Tuch das Blut von ihrem Schwert und steckte es dann zurück in die Scheide, während die anderen zu ihren Pferden gingen, die Katan währenddessen gehalten hatte und aufsaßen.

Sie folgten den Spuren, die nicht sonderlich schwer zu verfolgen waren, hatte man sie außerhalb des völlig niedergetrampelten Schlachtfeldes erst einmal ausgemacht. Die Spur führte fast direkt nach Norden.
Da sie in einem zügigen Trab ritten, konnten sie nach etwa einer Stunde am Horizont einen dunklen Schatten sehen und nach einer weiteren dreiviertel Stunde hatten sie diesen Schatten soweit erreicht, dass man erkennen konnte, dass es sich um das schwarze Heer handelte. Von nun an ritten sie etwas vorsichtiger, damit sie ihrerseits nicht bemerkt wurden.
"Wir sollten herausfinden, was sie vorhaben!" meinte Orgim.
"Mmh..."
"W-wir k-kön-nen ja sch-schlecht ei-ei-einfach hi-hing-gehen u-und f-fragen."
"Wir müssen sie infiltrieren", sagte Orgim düster.
"Jetzt verwendet halt nich' immer so komische Worte, die ich nich' versteh'!" quengelte Ragnar.
"Er will einen Spion zu dem Heer schicken", übersetzte Hiranhên deshalb.
"Ich denke, wenn ich gehe, wird es am unauffälligsten sein", murmelte Orgim.
"Ja, das ist wohl wahr... Wir sollten einen Zeitpunkt ausmachen, wann Ihr wieder zurück kehrt."
"Sobald ich etwas weiß, werde ich zurück kommen."
"Oder wenn Gefahr droht!"
"Ja, dann auch."
"Wir werden uns im Hintergrund halten."
"Tut das!"
"Viel Glück, Orgim!" sagte die Elfe, als Orgim ihr seinen Magierstab reichte, um ihn zu verwahren. Er wollte offenbar in die Rolle des toten Nekromanten schlüpfen. Ein gefährlicher Plan, doch im Augenblick war es wohl das beste, wenn er so versuchte, an Informationen zu kommen.

Die Skelette schienen ihn nicht einmal zu bemerken, als er sich dem Heer näherte. Doch da waren noch die Orks. Einer von ihnen drehte den Kopf zu ihm, sah dann aber wieder nach vorne. Offenbar flog seine Tarnung bei diesen Kreaturen nicht auf.
"Seid gegrüßt, Freund!" rief Orgim schließlich, als er das vordere Ende erreicht hatte und auf der Höhe des übrig gebliebenen Schwarzkuttenträgers war. Es folgte keine Reaktion, also versuchte Orgim es mit dem gleichen Satz in einer anderen Sprache, die für unkundige Ohren wie eine Mischung aus Grunzen, Zischen und Röcheln klang.
Nun kam eine Reaktion: "Seid wann sind wir Freunde? Wir kämpften nur auf derselben Seite im Kampf. - Was willst du?" Selbst in dieser Sprache konnte man freundlicher sein...
"Lernen."
"Was?"
Orgim meinte einen verwirrten Gesichtsausdruck zu sehen, als der andere sich ihm zuwandte - wenn er ein Gesicht gehabt hätte.
"Ich brauche Informationen. Ich bekam vorhin einige sehr harte Schläge ab und ... habe mein Gedächtnis verloren." Langsam fand er sich hinein in diese Rolle.
"Der Wolf verfolgt dich!"
Obwohl er doch etwas verwirrt über diesen plötzlichen Themawechsel war, ging Orgim doch darauf ein: "Das ist mein Wolf."
"Das kann nicht sein!"
"Doch."
Er ließ einen schrillen Pfiff ertönen, der selbst die weit entfernt gehenden Pferde der anderen unwillig scheuen ließ. Doch kurz darauf lief Orgims großer schwarzer Wolf an der Gruppe vorbei und kam schließlich zu Orgim. Der andere Magier schien verunsichert zu sein und trat sicherheitshalber einen Schritt zurück. Orgim tätschelte seinem Begleiter den Kopf und machte dem anderen so klar, dass er nichts zu befürchten hatte.
"Warum gab es diesen Kampf?" fragte Orgim weiter.
"Wir wurden angegriffen. - Die Zwerge sind erstaunlich mutig... Das hätte ich nicht von ihnen gedacht..."
"Mir ist, als hätten wir schon mehr Kämpfe gefochten... Warum?"
Orgim wusste, dass er sich auf dünnem Eis bewegte, doch der andere schien die Lüge, dass er sein Gedächtnis verloren hatte, zu schlucken.
"Das Dunkel wird sich ausbreiten."
"Gut..."
Dieses Mal musste Orgim die Freude nicht wirklich spielen. "Wie... warum folgen die Skelette uns so ... willig?"
"Nekromanten-Magie."
"Kann ich das lernen? Also, wieder lernen?"
"Wir haben dazu jetzt keine Zeit. - Wer sind die Menschen und diese ... Elfe?"
Das letzte Wort sprach er mit einer solchen Abscheu aus, dass man glaubte, selbst der Gedanke daran koste ihn eine enorme Überwindung.
Orgim war nicht wirklich erstaunt, dass ihre Anwesenheit bemerkt worden war. Da das Gespräch sich so gut entwickelte, wollte er nun einen kleinen Vorstoß wagen: "Das sind meine Gefährten. Können sie uns begleiten?"
"Ich verabscheue Elfen! - Holt alle außer sie nach vorne!"
"In ... Ordnung..."
Orgim war sehr überrascht, dass der andere es so einfach akzeptierte, dass er mit Menschen und einer Elfe unterwegs war.

Offenbar war das Gespräch zwischen Orgim und dem anderen schwarzen Magier zu Ende, denn er wandte sich wieder nach hinten und beeilte sich, wieder zu der Gruppe zu stoßen.
"Und?" fragte Xantcha sofort.
"Nun, dieses Heer ist offenbar unterwegs um dem Dunklen den Weg zu bereiten, denn es soll sich ausbreiten. Die Zwerge wollten das wohl verhindern und haben sie angegriffen. Ich habe ihm mitgeteilt, dass Ihr meine Gefährten seid und er hat zugestimmt, dass wir alle das Heer begleiten." Er wandte sich zu Hiranhên und er zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Elfen kann er übrigens nicht so gut leiden."
"Das beruht ganz auf Gegenseitigkeit!" Die Stimme der Elfe klang hasserfüllt und Ragnar sah sie überrascht an. So kannte er seine kleine Freundin gar nicht.
"Er hat gesagt, dass alle - außer ihr", dabei sah er wieder Hiranhên an, "nach vorne kommen können."
"Nicht einmal wenn er mich darum bitten würde, käme ich mit vor!"
"Dann werdet Ihr uns also in einigem Abstand folgen?"
Sie nickte.
"Ich bleibe bei Hiranhên. - Das is' doch unfair, wenn wir sie hier alleine lassen!" meinte Ragnar und lenkte sein Schlachtross neben den Hengst der Elfe, die ihn dankbar ansah. Für einen kurzen Augenblick war aller Zorn aus ihrem Gesicht gewichen und sie war wieder ganz die Alte.
Xantcha und Katan folgten Orgim, als er nach vorne ritt.
Als die anderen fort waren, griff die Elfe nach ihrem Bogen. Warum, wusste sie nicht.
'Gib mir heute Nacht einen Pfeil. Ich werde uns von dieser Bedrohung befreien.' hörte sie Kinjorns Stimme in ihrem Kopf.
'Sicher?' fragte sie zweifelnd.
'Ja.'
'Und meine Gefährten?'
'Wenn der Magier tot ist, sind die Skelette keine Gefahr mehr. Und die Orks sind zu dumm, um gleich zu verstehen. Ihr müsst nur schnell genug verschwinden. Was auch kein Problem sein dürfte, da die Orks keine Pferde haben...'

Xantcha warf immer wieder einen beunruhigten Blick auf die Orks und Skelette, die dem Nekromanten auf dem Fuß folgten. Sie konnte nicht so ganz glauben, dass sie ihr nichts tun würden. Um sich abzulenken, wollte sie einige Informationen haben und so wandte sie sich an Orgim: "Wo soll es denn hingehen?"
Er leitete die Frage an den Nekromanten weiter.
"Das große Tor sollte eingerissen werden. - Ist dies gelungen?"
"Ja."
"Wenigstens das hat funktioniert..."
murmelte er vor sich hin, während Orgim das für Xantcha und Katan übersetzte.
Die Diebin schnappte nach Luft. "Und... und was kommt als nächstes?"
"Was sind nun die weiteren Pläne?"
"Wir werden am Mittag des morgigen Tages ein Dorf erreichen. Wir werden dort rasten. - Und vorher die Einwohner töten."

Orgim wollte gerade übersetzen, als Xantcha meinte: "Wir sollten zu Hiranhên und Ragnar zurück reiten, damit sie es auch erfahren."
Als die Elfe dies hörte, starrte sie Orgim fassungslos an. "Wir müssen die Einwohner warnen!"
"Ihr glaubt doch nicht etwa, dass die Menschen eine Chance gegen das Heer hätten? Selbst wenn es dort Männer gibt, die mit Waffen umgehen können, so sind sie dieser Übermacht doch niemals gewachsen!" warf Orgim ein.
"Wie weit ist das Dorf von hier entfernt?" beharrte die Elfe.
"Aber Ihr werdet es nie schaffen, ein ganzes Dorf evakuieren zu können!"
"Ich sage nicht, dass ich die Menschen aus ihrem Dorf heraus führen will. Ich will sie nur warnen. - Wenigstens haben wir dann etwas für sie getan, statt ihren Tod abzuwarten!"
"Und welcher der Bewohner würde Euch glauben? - Bitte nehmt es nicht persönlich, aber es gibt auch Vorurteile gegenüber Elfen..."
"Nun, wenn Ihr mir nicht helfen wollt, dann reite ich eben alleine!" Trotz dieser eindeutigen Aussage blieb die Elfe doch weiterhin bei der Gruppe, da sie immer noch die Worte Kinjorns im Kopf hatte: 'Gebt mir heute Nacht einen Pfeil...'

Während die Orks und - in einiger Entfernung - Katan, Xantcha, Ragnar und Hiranhên zu Abend aßen, ließ sich Orgim von dem Nekromanten einen Zauberspruch lehren. Hiranhên ließ sich nichts anmerken, doch innerlich war sie sehr aufgewühlt und ein ungutes Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit, wenn sie an die bevorstehende Nacht dachte.
Als sich alle anderen schlafen gelegt hatten, ging Hiranhên zu den Pferden und sattelte sie wieder. Zum Glück hatte niemand seinen Sattel als Kopfkissen benutzt, so wie sie es immer zu tun pflegte. Die Pferde waren etwas verwirrt, als sie wieder reisefertig gemacht wurden.
Als alle fertig waren, nahm sie ihren Bogen und spannte ihn sorgsam.
'Ich muss an den Köcher, um einen Pfeil zu segnen. Danach habt Ihr eine Minute Zeit.'
'In Ordnung.'
Sie legte ihren Bogen an einen Baum und schnallte sich ihren Köcher auf den Rücken. Dann ging die Elfe zu Katan und weckte sie. Die Waldläuferin blinzelte verschlafen. "Packe deine Sachen. - Schnell! - Und dann geh zu den Pferden und wärme sie etwas auf. Wir müssen bald los reiten. - Wenn ihr mein Zeichen erhaltet, muss es schnell gehen!" Mit diesen Worten ließ sie die etwas verdutzte Waldläuferin sitzen und ging weiter zu Xantcha, um sie ebenfalls zu wecken.
"Was ist denn los? Es ist doch noch dunkel..." maulte die Diebin und wollte sich ihre Decke wieder über den Kopf ziehen, doch Hiranhên hielt sie fest.
"Packe deine Sachen und mach dich bereit los zu reiten. Wecke Orgim und sag' ihm dasselbe."
"Hä?"
Doch sie erhielt keine Antwort mehr, denn Hiranhên war schon bei Ragnar. Vorsichtig stubste sie erst Max und dann den Krieger an.
"Ragnar hör zu, das ist wichtig", sagte sie, als er wach war und sich aufgesetzt hatte. "Wir müssen bald los reiten. Pack' schnell deine Sachen und sitz' am besten schon einmal auf. Ich werde gleich nach kommen."
"Was? Warum denn das?"
"Das kann ich dir jetzt noch nicht erklären... Es würde zu lange dauern. Später. Versprochen!"
"Nagut, wenn du das sagst..." Er rappelte sich hoch, während Hiranhên zurück zu den Pferden lief, um ihren Bogen an den Köcher, der im Moment am Sattel ihres Pferdes hing, zu halten. Katan führte gerade ihr Pferd und das von Xantcha an der einen und Ragnars Schlachtross an der anderen Hand im Kreis herum, um die Gelenke der Pferde aufzuwärmen. Hiranhên atmete tief durch und hob ihren Bogen. Da wurde ihr Arm plötzlich von einer schwarzen Hand festgehalten.
"Was geht hier vor?" hörte sie Orgims Stimme dicht neben sich.
Sie schloss kurz die Augen und ließ ihren Arm langsam wieder sinken, als er losgelassen wurde. "Ich werde uns von einem großen Unheil befreien."
"Seid Ihr verrückt?"
"Nein, ich erfreue mich bester geistiger Gesundheit."
"Aber warum wollt ihr ihn töten?" Obwohl der Nekromant sie bestimmt nicht hören konnte und nicht einmal ihre Sprache sprach, senkte er doch seine Stimme.
Die Elfe fuhr herum und funkelte ihn an. "Weil er unschuldige Menschen kaltblütig ermorden will? Weil er der Wegbereiter des Bösen ist? Weil er eine Bedrohung für Grandia und seine Bewohner darstellt? - Braucht ihr noch mehr Gründe?"
"Aber... Was ist mit dem Heer?" mischte sich plötzlich Xantcha ein, die neben ihnen stand.
"Wir haben doch alle gesehen, was mit den Skeletten passiert, wenn ihr ... 'Meister' nicht mehr lebt..."
"Orgim-Schwarzkutte..." murmelte Ragnar, der inzwischen auch zu ihnen gestoßen war, leise. Doch nur Hiranhên konnte ihn verstehen.
"Aber ich brauche noch mehr Zeit!" beharrte Orgim.
"Er hat Angst vor Euch..." warf Xantcha ein.
"Angst?"
"Der Wolf..:"
"Ach..." Orgim winkte ab.
"Du schaust doch auch aus wie der..." überlegte Ragnar laut.
"Und was, wenn die ganze Aktion jetzt nicht funktioniert?"
"Pech", meinte Ragnar trocken.
"Wir könnten den Angriff auf das Dorf verzögern..."
"Und wie?" wollte Xantcha schnippisch wissen.
"Ich könnte sagen, dass ich eine Abkürzung kenne und in Wirklichkeit ist es ein Umweg."
"Klar. Und die werden Euch natürlich glauben." Die Worte der Diebin trieften nur so vor Ironie.
"Einen Versuch ist es wenigstens wert. - Außerdem", Orgim schien ein weiteres Argument eingefallen zu sein. "Angenommen es klappt alles und wir schaffen es sogar, den Orks zu entkommen und bis zum Herzog zu kommen. Was soll der dann tun? Ihr habt gesehen, dass selbst die kriegerischen Zwerge keine Chance gegen ein solches Heer hatten!"
Unbemerkt von den anderen hatte sich Hiranhên einen Pfeil aus ihrem Köcher gegriffen und langsam entfernt. Sie stand nun hinter einem Baum, wo sie für den Rest der Gruppe, der immer noch diskutierte, nicht sichtbar war.
'Und nun? - Habt Ihr das mitbekommen?'
'Sicher. Aber bedenkt: es gibt genügend Strategen in Grandia.'
'Darauf hoffe ich... - Soll ich es also wagen?'
'Es ist dunkel. Zögert nicht.!'
'Tut, was es zu tun gibt.'
Mit diesem Gedanken nahm die Elfe Pfeil und Bogen in eine Hand und wartete.
'Viel Glück! Beeilt Euch!' hörte sie Kinjorns Stimme.
Sofort lief sie los, bis sie so weit an die Schwarzkutte herangekommen war, dass sie eine gute Schusslinie hatte, aber nicht bemerkt wurde. - Weder von ihm noch von den Orks, die er offenbar als Wachen um sich verteilt hatte.
Sie legte den Pfeil, der sich seltsam magisch anfühlte und zu vibrieren schien, an die Sehne ihres Bogens und zielte. Dann ließ sie los.
Es schien, als würde sich ein goldener Lichtstrahl durch den Nachthimmel ziehen. Dieser Lichtstrahl hielt direkt auf den Nekromanten zu und erlosch plötzlich, als er ihn erreicht haben musste. Die Luft begann zu vibrieren und es bildete sich eine grünlich schimmernde Kugel über der Stelle, an der bis vor kurzem noch der Schwarzmagier gewesen war. Diese Kugel explodierte lautlos und eine riesige grüne Kuppel, die allerdings gleich wieder verblasste, bildete sich über der Stelle.
Hiranhên hatte genug gesehen. 'Habt Dank!' Sie wandte sich um und lief zu den Pferden. Als sie auf Narumîrs Rücken saß, sah sie sich um, ob alle anderen auch aufgesessen waren. - Sie mussten den hellen Lichtpfeil ja bemerkt haben. - Orgim war der letzte, der sich fluchend auf sein schwarzes Ross schwang.
"Los!" rief die Elfe und beugte sich im Sattel vor. "Noro-lim, Narumîr!"** Das Pferd spitzte die Ohren, schnaubte kurz und galoppierte dann los.
Die anderen Pferde folgten ihrem Herdentrieb und preschten hinterher.

... Fortsetzung folgt ...

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*(Sindarin) = "Rege dich nicht auf, Narumîr..."
**(Sindarin)= "Renne schnell, Narumîr!"

© by Opium-Angel - 2003